****** Wie in seinen anderen bekannten Romanen beschreibt Dostojewski auch in „Dämonen“ wieder meisterhaft Personen mit faszinierenden politischen und philosophischen Ansichten – Menschen, die nicht nur reden (auch wenn bei Dostojewksi immer sehr viel geredet wird), sondern bereit sind, ihre Überzeugungen teilweise in die Tat umzusetzen. Der Roman zeigt eindrucksvoll das Aufeinanderprallen liberaler Geister mit einer neuen Generation junger Nihilisten, die in ihrer Kleinstadt für Unruhe und schließlich Chaos sorgen.
Besonders interessant finde ich die Vielzahl komplexer Charaktere: etwa Kirillow, den Selbstmörder, der glaubt, sich zu einem höheren Zweck opfern zu müssen, oder den Studenten Schatow, der sich von der revolutionären Gruppe abwenden möchte und dafür einen hohen Preis bezahlt. Auch die Figur des dubiosen Stawrogin ist faszinierend: Anfangs erscheint er als entschlossener Rebell, der einem Gouverneur sogar ins Ohr beißt, später jedoch distanziert er sich von den großen Plänen des zynischen Pjotr Werchowenski, dem Sohn der liberal eingestellten Hauptfigur Stepan. Stawrogin bleibt bis zum Schluss eine undurchsichtige, schwer greifbare Figur.
Unbedingt sollte man eine Ausgabe lesen, die das Kapitel „Bei Tichon“ enthält (etwa die unter dem Titel „Böse Geister“ erschienene vergleichsweise moderne Übersetzung von Svetlana Geier) – es macht Stawrogins Figur viel tiefgründiger und mehrdimensionaler, als es die um dieses ursprünglich zensierte Kapitel gekürzten Versionen erlauben. Ohne dieses Kapitel bleibt ein entscheidender Teil seines inneren Konflikts verborgen, der zu einem dramatischen Ende führt.
Der Roman ist nahezu durchgehend spannend, ja geradezu unaufhaltsam in seiner Eskalation: Von Seite zu Seite verdichtet sich die Atmosphäre, bis am Ende ein großer Teil der handelnden Personen entweder tot oder auf andere Weise vernichtet ist.
Nach „Schuld und Sühne“ und „Die Brüder Karamasow“ ist Dämonen für mich der drittbeste der großen Romane Dostojewskis – ein düsteres und tiefgründiges Werk über Ideologien, Macht und moralischen Verfall.
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