**** Ich sehe das zwar nicht gar so drastisch wie mein Vorredner, doch muss ich auch anmerken, dass dieser Band von 2001 der "Schwächste" der Selb-Trilogie aus. Was heißt "schwach" - das Buch ist immer noch gut und ansprechend, aber man merkt schon, dass "irgendetwas" nicht mehr "so" ist wie in den anderen beiden Bänden der Reihe.
Der glücklicherweise auch hier weit mehr als klassischer "Erzählkrimi" denn als herber Thriller anzusehende Roman beginnt an sich vielversprechend, doch werden bereits absehbare und vom geneigten Leser eigentlich erwartete Spannungsbögen leider nicht genutzt - speziell von der Figur des Karl-Heinz Ulbrich hätte man sich doch mehr erhoffen können; gerade dieser Charakter und das interessante (leider nur angerissene) "Verhältnis" zum hier etwas abgeschafft wirkenden Protagonisten Gerhard Selb hätte sehr viel Potenzial aufgewiesen. Gleiches gilt für den skurrilen Lehrer a.D. Adolf Schuler - da ist schon ganz viel Zündstoff vorhanden gewesen, der leider im Ansatz bereits verpulvert wurde. Einzig Vera Soboda - die sehr sympathisch beschrieben wird - erinnert wieder positiv an die Detailfinesse der vorigen Selb-Romane.
Aber auch das Thema an sich hätte - Stichwort Transferrubel - mitsamt der geschichtlichen Bewandtnis der Sorben rund um Cottbus etwas mehr Tiefgang verdient gehabt; die Geschichte an sich ist eine interessante Sache der Nachwendezeit. Ich erwarte keinen umfassenden Almanach zur sorbischen Geschichte und Gegenwart - den finde ich woanders - sondern hätte mir einfach ein paar Sätze mehr zum Thema vorstellen können.
Generell überzeugen mich viele Personen des Buches nur bedingt, weil sie anders als in den Vorgängerbüchern eher angerissen werden und daher dem Leser kein Gesicht erscheint; immerhin mischen Philipp, Kommissar Nägelsbach mit Frau sowie auch Brigitte nebst Manu und Kater Turbo wieder mit. Sogar Gerhard Selbs alter Opel Kadett spielt eine Rolle - wer die anderen Bücher kennt, der ist im Bilde.
Nun muss ich zwar eine Lanze brechen, da die Handlung im Grunde nie banal wird und auch nicht an Spannung verliert, wozu Schlinks Schreibstil - der aber in den Vorgängerbüchern "Selbs Justiz" und "Selbs Betrug" wiederum auch besser und "runder" gewesen ist - sicher seinen Beitrag leistet. Man wird als Leser durchaus gut unterhalten, aber die liebevoll schrulligen Formulierungen der vorhergehenden Selb-Romane fehlen leider.
Dem in drei jeweils etwa gleich lange Abschnitte unterteilten Roman geht nie so ganz die Puste aus, aber man merkt schon, dass entweder Gerhard Selbs Rolle ausgelutscht war oder das Ambiente nicht passend für ihn gewesen ist. Ich habe einen recht spannenden Abend mit dem Buch verbracht und empfehle es als beiläufige Lektüre weiter, nicht aber als zündendes Werk von bleibendem Wert. |